Sagen und Geschichten
aus Kirchzarten

Der Nachtwächter geht um
…ein Gemeindedienst des 19. Jahrhunderts.
Die Nachtwachen gehören zur Geschichte der Menschheit seit der Sesshaftwerdung. Als eigenes Berufsbild existiert der Nachtwächter zunächst in den Städten des Mittelalters, während die Kenntnisse dieses Dienstes auf dem Land eher unbekannt sind. Ins heutige Bewusstsein gerät der frühere Nachtwächterdienst durch die Nachtwächterführungen, die heutzutage in vielen Städten veranstaltet werden.
Für den badischen Staat existierte erst ab 1831 – 25 Jahre nach dessen Gründung – eine Gemeindeordnung. Erst diese regelte die Ordnung in den Gemeinden nachhaltig und gab ihnen Handlungsanweisungen. In dieser Zeit wurde erstmals der Posten des Bürgermeisters definiert; bis dahin wurde der Gemeindevorsteher noch als Vogt bezeichnet.
Für das Gebiet der jetzigen Gemeinde Kirchzarten lässt sich der Nachtwächterdienst für die Orte Zarten und Kirchzarten nachweisen. Kleinere Ortschaften wie Neuhäuser brauchten aufgrund der geringen Bürgerzahl keine Nachtwachen aufstellen.
Für Zarten wird 1840 ein Tagwächter erwähnt, dessen Aufgaben nicht näher definiert wurden. Die Tagwächter gingen durch die Orte und wachten ähnlich wie Dorfgendarmen über Straße und Dorf. Zu Gottesdienstzeiten hielten sie Feuerwache und schützten die verlassenen Häuser vor Diebstahl. Ihre Anwesenheit sorgte zudem dafür, dass alle Bewohner zur Kirche gingen. Interessant war die Bezahlung des Tagwächters von Zarten: Jeder Bürger hatte ihn reihum, je nach der Höhe des Besitzstandes, zu verköstigen.
Erster nachweisbarer Nachtwächter von Zarten wurde Andreas Fehrenbach, der 1840 ebenfalls zu den ärmsten Bürgern zählte. Aus diesem Grund und um sein Einkommen aufzubessern, bat er den Gemeinderat um einen Gemeindeposten.
Am 22. Februar 1841 beschloss die Gemeindeversammlung Fehrenbach einzustellen, und zwar nicht nur als Nachtwächter, sondern auch als Schweinehirt.
Die Aufgaben des Zartemer Nachtwächters waren klar definiert. So hatte er an elf Stellen im Dorf die Stunden auszurufen:
1. An der großen Brücke über die Brugga
2. Vor des Zipfels Haus (untere Mühle)
3. Vor des Pfändlers Haus
4. Vor dem Bärenwirtshaus
5. Auf der kleinen Brücke (Schwerbrückle)
6. Bei dem Steg des Andreas Frei
7. An des Dilgers Hausecke
8. Vor dem Rößlewirtshaus
9. Bei des Benzen Scheuerlesecke
10. Vor des Philippenbauern Backküche
11. Bei des Lorenz Dietlichers Garten.

Während in Zarten die Nachtwache klar geregelt war und entsprechende Nachtwächter eingestellt worden waren, gab es in Kirchzarten erhebliche Probleme bei der Organisation. Im Juli 1838 hatte der örtliche Gendarmerieposten dem Landamt Freiburg gemeldet, dass im Ort noch keine Nachtwache bestand; obwohl diese seit dem Juni gesetzlich vorgeschrieben war. Die Gemeinde hatte eine empfindliche Strafzahlung über einen Gulden und 30 Kreuzer zu leisten und wurde erneut aufgefordert, einen Nachtwächter einzustellen.16 Dessen Name wird in den Akten jedoch nicht überliefert, ebenso nicht der des Beiwächters, der zu dem „noch ein krüppelhafter alter Mann“ war.
In der Folgezeit lassen immer wieder Hinweise finden, die beweisen, dass es mit der Bürgerpflicht in Kirchzarten nicht allzu gut bestellt gewesen war. Zu viele Bürger entzogen sich ihrer Aufgabe, so dass die Gemeinde darauf hinweisen musste, dass die Nachtwache unter keinen Umständen ganz oder teilweise versäumt werden darf. Ein Hinderungsgrund war anzuzeigen und ein Ersatzmann zu nennen. Ansonsten drohe die hohe Strafe von drei Gulden. Einen Monat später wurden die Namen der Bürger öffentlich ausgehängt, die sich dieser ersten Verwarnung weiterhin widersetzt hatten.
Mit der flächendeckenden Einführung von Straßenbeleuchtungen und neuen Polizeigesetzen um die Wende zum 20. Jahrhundert ging gleichzeitig die Abschaffung der meisten Nachtwächter auf dem Lande einher. Kirchzarten wird von der Pflicht einer Nachtwache frei gesprochen, falls die Gemeinde für eine ausreichende und dauerhafte Beleuchtung nach eingetretener Dunkelheit sorgt. Mit dem Anzünden und Löschen der ersten sechs Straßenlaternen, die mit Öl befüllt waren, wurde übrigens der Nachtwächter Georg Begelspacher mit einem Verdienst von jährlich 100 Mark beauftragt.
Autor: Dargleff Jahnke (Archivar der Gemeinde Kirchzarten)
Die Sage des Kuno von Falkenstein
Eine der schönsten Liebesgeschichten des Schwarzwaldes
Nahezu jedem Kirchzartener Bürger ist Ritter Kuno von Falkenstein ein Begriff. Im Ort findet man mehrere Spuren von ihm: So hängt an der Ecke des Gasthaus Fortuna in der Dorfmitte ein hölzernes Abbild seiner Grabplatte, das vom Kirchzartener Bildhauer Gerhard von Ruckteschell geschaffen wurde. Darunter in der Wand ist ein Stein eingemauert, den der Teufel, der Version einer Legende nach, auf Kuno geschmissen haben soll.
In der Pfarrkirche St. Gallus befindet sich seit über 650 Jahren die eindrucksvolle Grabplatte (siehe Abbildung oben) Kunos (gestorben 1343) an der südlichen Innenwand des Langhauses. Am eindrücklichsten in das Gedächtnis der Dreisamtäler Bevölkerung eingeprägt hat sich jedoch die Sage des heimkehrenden Kreuzritter Kuno von Falkenstein.
Fragt man jedoch genauer nach der Entstehungsgeschichte der in Kirchzarten immer noch allgegenwärtigen Sage, erhält man in der Regel keine näheren Details. Deswegen wird an dieser Stelle versucht, den Hintergrund der Sage etwas genauer darzustellen, wobei auch mit Spekulationen gearbeitet wurde. Die Falkensteiner begegnen uns erstmals als Gefolgsleute der Herzöge von Zähringen im 12. Jahrhundert. In deren Schatten stiegen sie zu den bedeutendsten Familien des Niederadels im Breisgau auf. Dabei gelang es ihnen, sich ein relativ geschlossenes Siedlungsgebiet im gesamten Dreisamtal und dem angrenzenden Schwarzwald zu sichern. Zum Mittelpunkt ihrer Herrschaft wurde die damals neu errichtete Burg im Höllental. Ein Zweig der Familie besaß enge Verbindungen nach Kirchzarten. Ihre Mitglieder traten 1297 als Vögte des Klosters St. Gallen in Erscheinung.
Kuno von Falkenstein, der zwischen 1290 und 1294 geboren wurde und 1343 verstarb, kaufte 1320 von den Johannitern zunächst einen Großteil der Rechte in Kirchzarten, später auch den Dinghof. Dieser stand vermutlich auf dem Gelände der heutigen Talvogtei.
Wichtiger für die Legendenbildung war jedoch die Burg im Höllental, die um 1388 von der Stadt Freiburg zerstört wurde. Drei Brüdern der Familie Falkenstein wurde Raubrittertum vorgeworfen. Damit konnte die Stadt einen unliebsamen Gegner loswerden. Doch die Untaten der Falkensteiner blieben im Bewusstsein der Menschen. Das wird anhand der ersten bekannten schriftlichen Überlieferung der Kuno-Sage deutlich. Diese stammt von Sophie von La Roche in ihrem "Tagebuch einer Reise durch die Schweiz" aus dem Jahr 1787. Ihr wurde von den Bewohnern "ein artiges Mährgen der Heiligen- und Ritterzeiten" erzählt: Der Satan wollte Kuno aus Palästina nach Hause bringen, nur müsse dieser die Fahrt ohne Essen und Trinken überstehen. Da Kuno aus seiner Kreuzzugszeit längere Hungerszeiten gewohnt war, schaffte er dies ohne Probleme und konnte seine Frau vor der Neuverheiratung bewahren.
La Roche erwähnt dabei die Angst der Anwohner vor der Burgruine, die befürchteten, dass entweder der betrogene Bräutigam oder der betrogene Satan in den Steinen der Burg spukte.
Die in späteren Versionen der Sage wichtigen Figuren des Falken als Beschützer Kunos und der Löwe als verkleideter Teufel tauchten in der ersten Erwähnung noch nicht auf. Sie fanden erst 1805 durch den jungen Karl von Rotteck Einzug. Wie sich das vollzogen haben könnte, lässt die Schilderung erahnen. Darin ließ sich die erzählende Figur vom Küster der Galluskirche die Grabplatte Kunos zeigen – ursprünglich war es übrigens die Abdeckplatte eines freistehenden steinernen Hochgrabes.
Noch heute fallen einem auf der Platte unter anderem die Tierfiguren auf: Der statthafte Ritter Kuno steht auf einem Löwen, während auf seinem Schild der Falke, das Wappentier der Falkensteiner, auffliegt. Der auf dem Löwen stehende Ritter war ein weit verbreitetes Motiv auf deren Begräbnisstätten. Das Symbol diente als Vergleich des Sieges Jesu Christi über teuflische Dämonen, so wie Kuno den Löwen überlistet, der gleichbedeutend mit dem Teufel war.
Der Freiburger Historiker Heinrich Schreiber versuchte die Figur Ritter Kunos in seinen Versionen von 1824 und 1867 exakt in der Geschichte zu verorten, was jedoch misslang. Um aus ihm einen Kreuzzugritter zu machen, suchte er in der Familie von Falkenstein relativ willkürlich einen Kuno, der sich einfacher in die entsprechende Zeit einordnen ließ. Der Name Kuno/Konrad taucht jedoch unzählige Male in der Familie auf. Schreiber fand seinen Kuno in einer Schenkungsurkunde des Klosters St. Peter aus dem 11. Jahrhundert. Doch damit entfernte er sich vom Kuno der Grabplatte.
Diese hätte Schreiber bei genauer Betrachtung einen Hinweis auf einen Ordensritter geben können. Im Helm des Ritters ist nämlich das geschweifte Kreuz des Johanniterordens erkennbar. Ob Kuno von Falkenstein zu den Ordensrittern gehörte, ist unbekannt, aber auf jeden Fall stand er dem Orden nahe, wie unter anderem seine Grablege in der dem Orden zugehörigen Galluskirche zeigt. Auf einem Kreuzzug befand sich Kuno mit höchster Wahrscheinlichkeit nie, deren Zeit war bereits vorbei.
Beim Vergleich der verschiedenen Versionen der Sage fällt auf, dass alle eng verbunden waren mit der Symbolik auf der Grabplatte. Diese schien den Ausgangspunkt für die Entstehung der Sage gebildet zu haben. Lange Zeit stand Kunos Hochgrab neben einem von seiner Familie gestifteten Altar mit der bedeutenden Frühmesspfründe. Erst als es abgebaut worden war, vermutlich beim großen Kirchenumbau im 16. Jahrhundert, und die Pfründe im 17. Jahrhundert nach Ebnet verlegt wurde, verloren die Menschen den Bezug zum ehemaligen Herrn über Kirchzarten. Übrig blieb allein die Grabplatte mit dem stolzen Ritter und genug Raum, dass eine Sage entstehen konnte.
Man kann sich vorstellen, wie die Menschen versuchten, deren Zeichen auf ihre Art zu interpretieren. Im weiteren Verlauf wurden sie als Grundelemente in die bereits seit dem Mittelalter beliebte "Heimkehrersage" eingebunden. Die bekannteste war die über Heinrich den Löwen, der mit Hilfe des Teufels zu seiner Frau zurückkehrte und von seinem Löwen auf dem Giersberg (!) bei Braunschweig befreit wurde. Tatsächlich bestehen über das Herzogshaus der Zähringer Verbindungslinien vom Welfenherzog zu den Falkensteinern.
Die Frage nach der Wahrheit hinter der Kuno-Sage kann nur angedeutet beantwortet werden. Denn mit fortschreitender Verbreitung entfernt sich eine Sage immer weiter von der möglichen Wahrheit. Mündlich weitergegebene Sagen dienten früher alleine der Unterhaltung der Menschen, und hierbei leistet die Sage Kunos von Falkenstein bis heute beste Dienste für die Dreisamtäler Bürger. So stand sie 1907 mit dem "Auszug ins Morgenland" und 1909 mit dem "Ringwunder" im Zentrum der Kirchzartener Karnevalsspiele. 1965 belebte die Heimatdichterin Erika Ganter-Ebert die Sage neu, verlegte jedoch den Fortgang nach Kunos Heimkehr nach Kirchzarten.
Autor: Dargleff Jahnke (Archivar der Gemeinde Kirchzarten)