Frischer Wind bei den landfrauen
Einst wurden Landfrauenvereine im Dreisamtal gegründet, damit die Bäuerinnen auch mal ihre Höfe verlassen, sich weiterbilden und etwas Schönes erleben konnten. Heute stehen sie mit einem bunten Veranstaltungsprogramm allen Interessierten offen. Auch Männer können Mitglied werden.
„Schön, dass Sie da sind. Kommen Sie rein.“ Sylvia Stiegeler, 36 Jahre, schlank, mit Jeans und Sneakers, führt in den hellen Wohn-Essbereich ihres Wohnhauses auf dem Thomashof in Stegen. Links in der Ecke liegt Kinderspielzeug, vor den Fenstern macht sich eine Sofa-Landschaft breit, dahinter erstrecken sich die grünen Weiden des Rechtenbach-Tals. Am großen Esstisch auf der rechten Seite warten neben dampfendem Tee und Gebäck zwei weitere Landfrauen: Hildegard Steinhart (58) und Christine Rombach (47). Seit Mai 2022 bilden sie mit Sylvia Stiegeler das neue Vorstandsteam des Landfrauenvereins in Kirchzarten-Stegen. Alle drei betreiben auf ihren Höfen Milchviehwirtschaft im Familienbetrieb, Stiegeler arbeitet zudem einige Tage die Woche als Bürokauffrau in Freiburg. „Dass wir alle Kühe haben, ist aber reiner Zufall“, sagt Steinhart und
lacht. Und auch die Mitglieder des Vereins seien längst nicht mehr alles nur Landwirtinnen. „Wir sind bunt gemischt, auch eine Ärztin ist mit dabei. Männer können ebenfalls Mitglied werden.“
Mit 58 Jahren ist Hildegard Steinhart die älteste im frisch gegründeten Vorstand. Die Landwirtin vom Zartener Urbershof sieht sich als eine Brücke zwischen Jung und Alt. Sie möchte ihre Erfahrungen den beiden jüngeren Kolleginnen weitergeben, die sich neu aktiv bei den Landfrauen einbringen. Steinhart selbst ist schon seit den 1990er-Jahren im Verein, hatte bereits Posten als Beisitzerin und Schriftführerin inne. Der Verein in Kirchzarten-Stegen wurde 1984 gegründet. Zahlreiche Vorträge, Ausflüge und Treffen wurden seither organisiert. Oft haben die Landfrauen bei Veranstaltungen bewirtet, um die Vereinskasse zu füllen, „zum Beispiel bei den Generalversammlungen der Schwarzwaldmilch“, erinnert sich Steinhart. „Oder wir haben Plätzchen für den Weihnachtsmarkt gebacken.“ Auch die legendären Nudel-Partys beim Kirchzartener Ultra Bike Marathon wurden vor Corona-Zeiten von den Landfrauen gestemmt. Es gab einmal einen Chor, der „leider wegen Dirigentenmangel aufgelöst werden musste“, und bis heute findet ein wöchentlicher Gymnastikkurs statt. Neben Kirchzarten-Stegen verfügen auch die Dreisamtäler Gemeinden Buchenbach und Oberried über einen eigenen Landfrauenverein. Früher erfüllten diese Gemeinschaften eine wichtige Funktion: Sie ermöglichten den Bäuerinnen eine Auszeit von ihrem harten Arbeitsalltag. „Viele Landwirtinnen hatten keine Berufsausbildung und auch keinen Führerschein“, erklärt Steinhart. „Sie sind nur selten vom Hof weggekommen.“ Im Verein konnten sie sich austauschen, Kontakte knüpfen und sich weiterbilden. Die Stärkung der gesellschaftlichen Position der Frauen war ein wichtiges Ziel.
Das ist bis heute so geblieben, auch wenn die Situation zum Glück eine andere ist: Die meisten Frauen vom Land sind mobil, unabhängig und haben eine gute Ausbildung. Trotzdem lohnt sich nach wie vor eine Mitgliedschaft im Verein, ist Hildegard Steinhart überzeugt, „gerade für Zugezogene: Bei uns lernt man schnell neue Leute kennen und findet Unterstützung.“ Ihr selbst hätten die gemeinsamen Ausflüge sehr gutgetan, als sie in den 90er-Jahren vom Schwarzwald zu ihrem Mann ins Dreisamtal gezogen sei. Zudem gebe es zahlreiche Weiterbildungsangebote, auch auf Verbandsebene, unter anderem zu den Themen Existenzgründung, Selbstmanagement, Ernährung oder Sport. Der Landfrauenverein in Kichzarten-Stegen besteht momentan aus knapp 90 Mitgliedern. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren relativ konstant geblieben, aber es fehlt an neuen Gesichtern. „Ein Großteil der Landfrauen ist über 60 oder 70 Jahre alt“, sagt Christine Rombach. Jüngere Mitglieder zu gewinnen sei eine der großen Herausforderungen des neuen Vorstands, denn: „Das Angebot an anderen Freizeitmöglichkeiten ist riesig. Frauen müssen nicht mehr unbedingt in den Landfrauenverein, um etwas zu erleben.“
Um der Konkurrenz etwas entgegenzusetzen, möchte das Trio bei der Gestaltung des Jahresprogramms gezielt jüngere Menschen ansprechen – „ohne natürlich die älteren außen vor zu lassen“, betont Steinhart. „Diesen Sommer haben wir zum Beispiel bei den Fredericktagen teilgenommen“, erzählt Sylvia Stiegeler. Bei den landesweiten Vorlesetagen für Grundschüler an außergewöhnlichen Orten öffneten unter anderem auch Landfrauen ihre Stalltüren. Die Kinder lauschten auf Strohballen sitzend den Geschichten und durften hinterher noch Tiere streicheln. Christine Rombach liegen solche Aktionen besonders am Herzen. Gemeinsam mit ihrem Mann Bernhard nimmt sie auch am Landes-Projekt „Lernort Bauernhof“ teil. Regelmäßig besuchen Schulklassen ihren Hinterbauernhof in Stegen-Eschbach. „Die Kinder wissen zum Teil gar nicht mehr, wo die Milch herkommt“, klagt Rombach und schüttelt den Kopf. Dem möchte sie entgegenwirken. Und aufklären. „Es gibt so viele Vorurteile gegenüber der Landwirtschaft. Wir führen die Kinder herum und stehen Rede und Antwort.“
Auch Sylvia Stiegeler, die wie Christine Rombach auf ihrem Hof zusätzlich noch Ferienwohnungen anbietet, gibt ihr Wissen gerne an die Gäste weiter. „Zu den Stallzeiten dürfen sie bei der Fütterung dabei sein, logisch“, sagt sie, „das gehört zum Urlaub auf dem Bauernhof doch dazu.“ Als jüngste im Vorstand betreut sie unter anderem die Website der Landfrauen. Auf dem Programm 2023 stehen bislang ein Handy-Bedienkurs für Seniorinnen und eine Mühlenbesichtigung. Auch Kaffeenachmittage und Kooperationen mit den Landfrauen in Buchenbach und Oberried sind geplant. Alles andere wird sich entwickeln, sagt Stiegeler, „momentan sind wir noch in der Findungsphase.“ Eines steht auf jeden Fall schon fest: Langweilig wird es bei den Landfrauen auch in Zukunft nicht werden.